Informationen:
RWTH Aachen University
Seminar: Nachhaltig Bauen???, Sommersemester 23/24
Lehrstuhl für Denkmalpflege und historische Bauforschung
Prof. Christian Raabe, Referent: Laurits Stahm
C. Schrewe & D. Schulte-Ladbeck
Seminar: Nachhaltig Bauen???, Sommersemester 23/24
Lehrstuhl für Denkmalpflege und historische Bauforschung
Prof. Christian Raabe, Referent: Laurits Stahm
C. Schrewe & D. Schulte-Ladbeck
Das Projekt:
Im Rahmen des Forschungsfeldes „Nachhaltig Bauen???“ am Lehrstuhl für Denkmalpflege und Historische Bauforschung haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie Gebäude, die eigentlich zum Abriss bestimmt sind, mit alternativen Konzepten dennoch erhalten werden können. Im Rahmen des Kurses untersuchten wir daher ein ehemaliges Gelände der Diakonie Himmelsthür in dem kleinen Ort Sorsum in Niedersachsen. Dabei entwickelten wir zunächst gemeinsam im Kurs ein Rahmenkonzept für das Gelände, um die Entstehung eines neuen Quartiers zu ermöglichen. Innerhalb des Rahmenkonzeptes haben wir ge- meinsam mit den Studierenden auch die Nutzungen der einzelnen Gebäude neu aufgeteilt. Dabei wurde unser Gebäude weiterhin einer Wohnnutzung für die Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Quartiers zugeordnet. Im Rahmen unseres Entwurfs beschäftigten wir uns mit dem Haus Fliedner (101), das sich in zentraler Lage innerhalb des neuen Quartiers befindet (Abb. 48). Aufgrund der Beschriftung des Plansatzes und der Unterteilung des Grundrisses gingen wir davon aus, dass sich in dem Gebäude bisher eine Pflegeeinrichtung befand. In diesem Fall bot der Baubestand Platz für ca. 60 Bewohnerinnen und Bewohner in bisher recht kleinen Räumen. Die Wohnräume der Bewohnerinnen und Bewohner befinden sich jeweils an den Außenseiten der Fassaden, während die dienenden Funktionen wie Nasszellen und Küchen im Inneren angeordnet sind. Das Tragwerk des 3-geschossigen Bestandsgebäudes lässt sich trotz seiner scheinbaren Unübersichtlichkeit im Grundriss in drei Baukörper gliedern. Dabei sind die Decken mit jeweils 3 Auflagern pro Gebäudeteil eingespannt. Die Fassaden sind mit vorgehängten Waschbetonplatten gegliedert. Dazwischen sind die Fassaden hüfthoch verglast. Neben dem vermutlich recht baufälligen Zustand des Gebäudes gab es weitere Herausforderungen, die sowohl die architektonische Gestaltung als auch die Funktionalität stark beeinträchtigten. Die vorhandene Kubatur des Gebäudes mit ihrem tiefen und schmalen Grundriss erschwert eine direkte Umnutzung. Die begrenzte Fläche und die engen Abmessungen erschweren nicht nur die Schaffung offener und einladender Räume, sondern können auch die natürliche Belüftung und Belichtung beeinträchtigen. Zusätzlich zu diesen architektonischen Herausforderungen ist es wahrscheinlich, dass das Gebäude bisher nicht isoliert war und daher einen schlechten Energiestandard aufweist, was eine energetische Sanierung der Fenster und der Fassade erforderlich macht. Eine Weiternutzung des Gebäudebestandes braucht ihrer Nutzung entsprechende Räume und Standards. Ein Erhalt bedingt also sowohl einen Eingriff in die bestehende Struktur um flexibel nutzbare, wohnliche und gut belichtete Räume zu schaffen, sowie eine neue Hülle, die den aktuellen energetischen Vorgaben gerecht wird. Welche Eingriffe notwendig waren, um aus dem alten einen neuen qualitätvollen Wohnort im Quartier zu schaffen, zeigt der im späteren Verlauf des Projektes entwickelte Entwurf.
KONZEPTION:
In unserem Projekt Nachhaltig Bauen??? gab es zunächst eine gemeinsame Diskussion mit allen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern, in der den verschiedenen Gebäuden auf dem Campus der Diakonie Himmelstür in Sorsum eine entsprechende Funktion zugeordnet wurde. Dabei wurde entschieden, dass in unserem Gebäude (Haus Fliedner) weiterhin Wohnungen für die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers untergebracht werden sollen. Der Annex wird aus dem Bestand herausgelöst und kann zukünftig als Solitär eine öffentliche Nutzung, wie z.B. ein Café für den Stadtteil, aufnehmen. Aufgrund der Vornutzung wies der Bestand eine enorme Gebäudetiefe auf. Dementsprechend galt es, die Herausforderungen des zunächst zufällig erscheinenden Grundrisses und der enormen Gebäudetiefe zu lösen. Im Rahmen der Partnerarbeit diskutierten wir verschiedene Varianten und entschieden uns für den Abbruch des Gebäudekerns, um drei freistehende Baukörper zu schaffen, die die vorhandene Tragstruktur nutzen. Um die im Vergleich zur umliegenden Bebauung relativ geringe Gebäudehöhe von 9 Metern für ein einheitliches Erscheinungsbild zum Quartiersplatz hin zu erreichen, entschieden wir uns für eine Aufstockung der nun voneinander getrennten Baukörper um ein Vollgeschoss. Da durch den Rückbau auch die Erschließung erneuert werden musste, viel die Wahl auf eine Laubengangerschließung, die die drei Baukörper verbindet und die Kubatur des Bestandsgebäudes neu interpretiert. Die neuen Treppenhäuser fügen sich hier in abgesetzter Bauweise an den Bestand an.
Um für eine ausreichende Wohnfläche zu sorgen erweiterteten wir den bestehenden Baukörper in Holzmassivbauweise, bei der alle Bauteile in einem Werk vorgefertigt und an die Außenseiten der bestehenden Gebäude angefügt werden können. Die Holzmassivdecken kragen dabei über die eigentliche Fassade hinaus, um eine Austrittsmöglichkeit zu schaffen, welche gleichzeitig als Sonnenschutz wirkt. Der innenliegende Laubengang verschattet auch die hofseitige Fassade. Die Geländer an den Balkonen sollen hier die Formensprache des Bestandes aufnehmen und die prägenden Fassadenbänder aus Waschbeton neu interpretieren.
Da ein angemessener Wärmeschutz gewährleistet sichergestellt werden sollte, sind Bestandswände allseitig mit nachhaltigen Materialien zu dämmen und mit einer hinterlüfteten Holzfassade zu verkleiden. Dabei soll sich die Materialität des Bestandes in Holzwerkstoffen artikulieren, während sich die von uns hinzugefügte Erschließung mit einer weiß lackierten Stahlskelettkonstruktion absetzt. Die Erschließungskerne können dabei aus unbewerteten Betonfertigteilen im Werk vorproduziert werden. m Inneren des Baukörpers werden alle vorhandenen, nicht tragenden Wände abgebrochen, so dass das bestehende Tageswerk flexibel in vier unterschiedlich große Wohneinheiten unterteilt werden kann. Dabei ist es möglich, den Grundriss in 1-3 Zimmerwohnungen mit variablen Formaten zu unterteilen. Lediglich die Lage der Schächte ist festgelegt. Der im Inneren des neuen Baukörpers entstehende Innenhof kann nach Belieben von der Gemeinschaft genutzt werden.
Auch für den Annex ist ein entsprechender Wärmeschutz zu gewährleisten, weshalb dieser ebenfalls gedämmt und mit einer hinterlüfteten Holzfassade verkleidet wird. Neben der Fassade wird auch das Dach erneuert, welches durch einen großen Dachüberstand den Sonnenschutz gewährleistet. Die leichte Stahlskelettkonstruktion des Daches soll dabei an die Tragstruktur der anderen Baukörper erinnern, um die Zusammengehörigkeit zu betonen.